Islamismus und Türkischer Nationalismus in Paderborn

Islamismus und türkischer Faschismus sind nicht nur nach Anschlägen ihrer Verteter auf Weißdeutsche ein Problem in Deutschland, auch wenn man anhand der fehlenden Aufkärung über sie durchaus den Eindruck bekommen könnte. Die türksich-faschistischen Grauen Wölfe gehören zu den mitgliederstärksten faschistischen Gruppierungen in Deutschland und verüben immer wieder Gewalttaten, beispielsweise an progressiven Kurd*innen oder Alevit*innen. Währenddessen schaffen es islamistische Gruppierungen regelmäßig unter dem Deckmantel des religiösen Dialogs mit dem Islam staatlicherseits und auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Zusammenarbeit eingebunden zu werden. Dadurch können sie sowohl so tun als seien ihre reaktionären Anschauungen Konsens unter beispielsweise Muslim*as, Türkei- oder Syrienstämmigen als auch aktiv Einfluss in der Gesellschaft ausüben. Ähnliches passiert auch in Paderborn, wie der folgende Beitrag anhand der SCHURA Paderborn zeigt.


Die SCHURA [1] versteht sich selbst als Vertretung der Paderborner Muslim*as. Mit diesem Anspruch bündeln sich verschiedene islamische Gemeinden aus dem Kreis Paderborn in der Organisation. Die Organisation ist in der Paderborner Stadtgesellschaft etabliert. Mehrere ihrer Gemeinden nehmen beispielsweise immer wieder am „Internationale Fest der Begegnung“ in Schloß Neuhaus teil und präsentieren sich mit einem Stand. 

Ein Vorfall aus dem Jahr 2017 bei einem Stand des Islamischen Zentrum, einer Gemeinde der SCHURA, liefert jedoch einen ersten Einblick in die dort auch vertretenen Ideologien. Auf dem Stand wurde ein Banner mit einem homofeindlichen Koran-Zitat aufgehängt [3]. Der genaue Inhalt des Banners scheint heute nicht mehr rekonstruierbar. Das liegt auch daran, dass der Versuch den Vorfall im Integrationsrat, dem politischen Gremium migrantischer Menschen der Stadt Paderborn, aufzuarbeiten daran scheiterte, dass eine Mehrheit der Mitglieder es ablehnte ab, den Vorfall dort zu thematisieren. Stattdessen wurde dessen Behandlung in den Arbeitskreis zum „Internationalen Fest der Begegnungen“ verlagert [3,4]. Von besagtem Arbeitskreis werden keine Protokolle veröffentlicht, sodass sich der genaue Inhalt und die Diskussion dort öffentlicher Beobachtung entziehen.

Ebenfalls gegen die Aussprache im Integrationsrat war auch dessen damaliger Vorsitzender Recep Alpan. Alpan ist nicht nur immer noch Vorsitzender des Rats, sondern trat in der Vergangenheit auch als Sprecher der türkisch-islamischen Gemeinde (DITIB) Paderborn auf [5, 6], die ebenfalls Mitglied in der SCHURA ist [1]. DITIB ist Teil der türkischen Rechten, steht der türkischen AKP-Regierung [7] und den Grauen Wölfen [8] nahe und verbreitet selbst immer wieder türkischen Nationalismus. Letzteres tritt unter anderem dann zum Vorschein, wenn die Türkei kurdische Gebiete attackiert [9]. Recep Alpan selbst hat in der Vergangenheit offen Angriffskriege der Türkei auf kurdische Gebiete verteidigt und verharmlost und sich dabei auf rassistische Erzählungen gegenüber Kurd*innen gestützt [10].

Neben Islamischem Zentrum und zwei DITIB-Gemeinden ist die lokale Milli Göruş-Gemeinde Teil der SCHURA. Milli Göruş ist eine islamistische Gruppierung mit dem  Ziel einer globalen islamischen Gesellschaft. Zentrales Ideologiefragment von Milli Göruş ist ihr Antisemitismus, da sie ihr global-islamistisches Projekt vor allen von „Zionisten“ bedroht sehen [11]. Die lokale Gemeinde hat Räumlichkeiten in der Breslauer Straße. Sie arbeitet auch mit anderen Gruppen aus der SCHURA zusammen. Im Vorfeld der damaligen Wahl zum Integrationrat gab Recep Alpan beispielsweise 2020 an, dass die lokale Milli Göruş seine Wahlliste zum Integrationsrat unterstütze [12].

Sprecher der SCHURA ist der Paderborner Unternehmer Emin Özel [13]. Özel ist nicht nur ehemaliger Vorsitzender der DITIB Paderborn und verteidigt diese gegen Kritik wegen ihrer AKP-Nähe [14]. Er ist auch Teil des Fördervereins für die Privatschule Gymnasium Eringerfeld [15]. Die Schule richtet sich vor allem an türkeistämmige Jugendliche aus reichen Familien [16], denen eine gute Ausbildung ermöglicht werden soll. Träger der Schule ist der Verein Regenbogen Werkstatt e.V. [15]. Sowohl die Gründer des Vereins als auch Özel selbst unterstützen den islamischen Denker Fetullah Gülen [14, 15]. Dessen sogenannte Gülen-Bewegung ist autoritär und sektenartig strukturiert und wird auch so geführt [17]. Ideologisch vertritt sie eine Mischung aus „türkischem Nationalismus, türkisch-islamischer Synthese und Globalisierung“ [7]. Die Gründung und Führung zahlreicher Privatschulen weltweit mit ihrer Ausrichtung ist Teil der Arbeit der Bewegung. Diese Schulen sollen eine islamisch-türkische Elite ausbilden, denen dann der Zugang zu hohen gesellschaftlichen Positionen offen steht [16, 18], die für eine Machtübernahme genutzt werden können. Die Schule Eringerfeld integriert sich also nahtlos in die Ziele und Strategie der Gülen-Bewegung. Und der Sprecher der Schura Emin Özel, selbst ein Unterstützer Gülens, ist gleichzeitig Förderer des Gymnasiums Eringerfeld.

Der SCHURA und ihren Mitgliedsorganisationen gelingt es erfolgreich sich als muslimische oder gar migrantische Interessensvertretung zu inszenieren. Tatsächlich vertreten sie allerdings vor allem die Interessen von rechten Muslim*as und Islamist*innen. Wie anderswo in Deutschland gelingt ihre Inszenierung auch in Paderborn. Das zeigt nicht nur die Zusammenarbeit städtischer Institutionen mit der SCHURA und ihren Organisationen oder Vertreter*innen, sondern zum Beispiel auch ihre Mitgliedschaft im „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ [19]. Dass die Inszenierung erfolgreich ist, liegt wahrscheinlich an Desinteresse der deutschen Dominanzgesellschaft, sich mit der Heterogenität migrantischer Communitys zu beschäftigen. Sowohl für Staat als auch zivilgeselschaftliche Organisationen bis ins linksliberale Spektrum sind im Zweifelsfall rechte migrantische Organisationen auch unkompliziertere Bündnispartner*innen als zum Beispiel die von ihnen bekämpften türkischen und kurdischen Linken.

Während die SCHURA selbst die letzten Jahre nur unregelmäßig als Sprachrohr in die Öffentlichkeit genutzt wurde, haben die verschiedenen Gemeinden des Bündnisses es konstant geschafft wichtige Positionen zu besetzen und sich mit ihren Strukturen in der Stadtgesellschaft zu etablieren. Diese Gefahr ist höchstens anhand der DITIB-Gemeinden am Rande diskutiert worden und der Enheit von türkischer Rechter und Islamist*innen findet bis heute keinerlei Aufmerksamkeit oder zieht gar Konsequenzen nach sich. 

[1] Webseite der SCHURA – http://www.eslam.de/begriffe/s/schura_paderborn.htm
[2] Seite des Integrationsrats auf der Webseite der Stadt Paderborn – https://www.paderborn.de/microsite/teilhabe/integration/integration/01-Integrationsrat.php
[3] Protokoll Integrationsratssitzung – https://stadt-paderborn.rim.gkdpb.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZTZsLHWZHiWS5WKzrQLXIpUFikTtnX9307WstUy-yEUV/Oeffentliche_Niederschrift_Integrationsrat_04.10.2017.pdf
[4] Anfrage an das Sozial- & Kulturamt Paderborn zum homofeindlichen Banner – https://fragdenstaat.de/a/249511
[5] Türkisch Islamische Gemeinde hatte zum Fastenbrechen eingeladen – https://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/paderborn/20515011_Tuerkisch-Islamische-Gemeinde-hatte-zum-Fastenbrechen-eingeladen.html
[6] Webseite der türkisch-islamischen Gemeinde DITIB Paderborn – https://www.ditib-pb.de/
[7] „Ich bin stolz, Türke zu sein“ – Graue Wölfe und türkischer (Rechts-)Nationalismus in Deutschland – https://www.mobile-beratung-nrw.de/fileadmin/content/news/02-Brosch%C3%BCre%20-%20Graue%20W%C3%B6lfe%20und%20t%C3%BCrkischer%20%28Rechts-%29Nationalismus%20in%20Deutschland.pdf
[8] „Wo stehen wir? An Erdoğans Seite“ – https://www.spiegel.de/panorama/extremismus-bei-der-ditib-ein-faible-fuer-die-grauen-woelfe-a-579a9134-bda7-475c-bdac-c9e3adaa52c9
[9] Ditib als „verlängerter Arm“ der AKP in der Kritik – https://www.sueddeutsche.de/politik/islamverband-verraeter-unerwuenscht-1.3101676
[10] Chef des Integrationsrates Paderborn verteidigt Türkeieinsatz in Syrien – https://www.nw.de/nachrichten/zwischen_weser_und_rhein/22589864_Chef-des-Integrationsrates-Paderborn-verteidigt-Tuerkeieinsatz-in-Syrien.html
[11] Erdogan und die Juden – https://www.juedische-allgemeine.de/politik/erdogan-und-die-juden/
[12] Paderborn’daki Türkler Uyum Meclisi için birleşti – https://www.ozturk.de/paderborndaki-tuerkler-uyum-meclisi-icin-birlesti/
[13] Harmonisches Miteinander – https://www.westfalen-blatt.de/owl/kreis-paderborn/paderborn/harmonisches-miteinander-899591
[14] Paderborner Rat der Muslime nimmt Ditib in Schutz – https://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/paderborn/21687541_Paderborner-Rat-der-Muslime-nimmt-Ditib-in-Schutz.html
[15] Webseite der Schulen Eringerfeld – https://schulen-eringerfeld.de/schultraeger/
[16] Die Traumschule – https://www.zeit.de/2007/33/C-Tuerkische-Privatschulen/komplettansicht
[17] Aussteiger sprechen über Geheimorganisation – https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/guelen-bewegung-105.html
[18] Auf dem Marsch durch die Institutionen – https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/guelen-bewegung-in-deutschland-auf-dem-marsch-durch-die-institutionen-12831578.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
[19] Bündnispartner*innen des Bündnis für Demokratie und Toleranz Paderborn – https://buendnisdemokratietoleranz.wordpress.com/buendnispartnerinnen/