Islamismus und Türkischer Nationalismus in Paderborn

Islamismus und türkischer Faschismus sind nicht nur nach Anschlägen ihrer Verteter auf Weißdeutsche ein Problem in Deutschland, auch wenn man anhand der fehlenden Aufkärung über sie durchaus den Eindruck bekommen könnte. Die türksich-faschistischen Grauen Wölfe gehören zu den mitgliederstärksten faschistischen Gruppierungen in Deutschland und verüben immer wieder Gewalttaten, beispielsweise an progressiven Kurd*innen oder Alevit*innen. Währenddessen schaffen es islamistische Gruppierungen regelmäßig unter dem Deckmantel des religiösen Dialogs mit dem Islam staatlicherseits und auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Zusammenarbeit eingebunden zu werden. Dadurch können sie sowohl so tun als seien ihre reaktionären Anschauungen Konsens unter beispielsweise Muslim*as, Türkei- oder Syrienstämmigen als auch aktiv Einfluss in der Gesellschaft ausüben. Ähnliches passiert auch in Paderborn, wie der folgende Beitrag anhand der SCHURA Paderborn zeigt.


Die SCHURA [1] versteht sich selbst als Vertretung der Paderborner Muslim*as. Mit diesem Anspruch bündeln sich verschiedene islamische Gemeinden aus dem Kreis Paderborn in der Organisation. Die Organisation ist in der Paderborner Stadtgesellschaft etabliert. Mehrere ihrer Gemeinden nehmen beispielsweise immer wieder am „Internationale Fest der Begegnung“ in Schloß Neuhaus teil und präsentieren sich mit einem Stand. 

Ein Vorfall aus dem Jahr 2017 bei einem Stand des Islamischen Zentrum, einer Gemeinde der SCHURA, liefert jedoch einen ersten Einblick in die dort auch vertretenen Ideologien. Auf dem Stand wurde ein Banner mit einem homofeindlichen Koran-Zitat aufgehängt [3]. Der genaue Inhalt des Banners scheint heute nicht mehr rekonstruierbar. Das liegt auch daran, dass der Versuch den Vorfall im Integrationsrat, dem politischen Gremium migrantischer Menschen der Stadt Paderborn, aufzuarbeiten daran scheiterte, dass eine Mehrheit der Mitglieder es ablehnte ab, den Vorfall dort zu thematisieren. Stattdessen wurde dessen Behandlung in den Arbeitskreis zum „Internationalen Fest der Begegnungen“ verlagert [3,4]. Von besagtem Arbeitskreis werden keine Protokolle veröffentlicht, sodass sich der genaue Inhalt und die Diskussion dort öffentlicher Beobachtung entziehen.

Ebenfalls gegen die Aussprache im Integrationsrat war auch dessen damaliger Vorsitzender Recep Alpan. Alpan ist nicht nur immer noch Vorsitzender des Rats, sondern trat in der Vergangenheit auch als Sprecher der türkisch-islamischen Gemeinde (DITIB) Paderborn auf [5, 6], die ebenfalls Mitglied in der SCHURA ist [1]. DITIB ist Teil der türkischen Rechten, steht der türkischen AKP-Regierung [7] und den Grauen Wölfen [8] nahe und verbreitet selbst immer wieder türkischen Nationalismus. Letzteres tritt unter anderem dann zum Vorschein, wenn die Türkei kurdische Gebiete attackiert [9]. Recep Alpan selbst hat in der Vergangenheit offen Angriffskriege der Türkei auf kurdische Gebiete verteidigt und verharmlost und sich dabei auf rassistische Erzählungen gegenüber Kurd*innen gestützt [10].

Neben Islamischem Zentrum und zwei DITIB-Gemeinden ist die lokale Milli Göruş-Gemeinde Teil der SCHURA. Milli Göruş ist eine islamistische Gruppierung mit dem  Ziel einer globalen islamischen Gesellschaft. Zentrales Ideologiefragment von Milli Göruş ist ihr Antisemitismus, da sie ihr global-islamistisches Projekt vor allen von „Zionisten“ bedroht sehen [11]. Die lokale Gemeinde hat Räumlichkeiten in der Breslauer Straße. Sie arbeitet auch mit anderen Gruppen aus der SCHURA zusammen. Im Vorfeld der damaligen Wahl zum Integrationrat gab Recep Alpan beispielsweise 2020 an, dass die lokale Milli Göruş seine Wahlliste zum Integrationsrat unterstütze [12].

Sprecher der SCHURA ist der Paderborner Unternehmer Emin Özel [13]. Özel ist nicht nur ehemaliger Vorsitzender der DITIB Paderborn und verteidigt diese gegen Kritik wegen ihrer AKP-Nähe [14]. Er ist auch Teil des Fördervereins für die Privatschule Gymnasium Eringerfeld [15]. Die Schule richtet sich vor allem an türkeistämmige Jugendliche aus reichen Familien [16], denen eine gute Ausbildung ermöglicht werden soll. Träger der Schule ist der Verein Regenbogen Werkstatt e.V. [15]. Sowohl die Gründer des Vereins als auch Özel selbst unterstützen den islamischen Denker Fetullah Gülen [14, 15]. Dessen sogenannte Gülen-Bewegung ist autoritär und sektenartig strukturiert und wird auch so geführt [17]. Ideologisch vertritt sie eine Mischung aus „türkischem Nationalismus, türkisch-islamischer Synthese und Globalisierung“ [7]. Die Gründung und Führung zahlreicher Privatschulen weltweit mit ihrer Ausrichtung ist Teil der Arbeit der Bewegung. Diese Schulen sollen eine islamisch-türkische Elite ausbilden, denen dann der Zugang zu hohen gesellschaftlichen Positionen offen steht [16, 18], die für eine Machtübernahme genutzt werden können. Die Schule Eringerfeld integriert sich also nahtlos in die Ziele und Strategie der Gülen-Bewegung. Und der Sprecher der Schura Emin Özel, selbst ein Unterstützer Gülens, ist gleichzeitig Förderer des Gymnasiums Eringerfeld.

Der SCHURA und ihren Mitgliedsorganisationen gelingt es erfolgreich sich als muslimische oder gar migrantische Interessensvertretung zu inszenieren. Tatsächlich vertreten sie allerdings vor allem die Interessen von rechten Muslim*as und Islamist*innen. Wie anderswo in Deutschland gelingt ihre Inszenierung auch in Paderborn. Das zeigt nicht nur die Zusammenarbeit städtischer Institutionen mit der SCHURA und ihren Organisationen oder Vertreter*innen, sondern zum Beispiel auch ihre Mitgliedschaft im „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ [19]. Dass die Inszenierung erfolgreich ist, liegt wahrscheinlich an Desinteresse der deutschen Dominanzgesellschaft, sich mit der Heterogenität migrantischer Communitys zu beschäftigen. Sowohl für Staat als auch zivilgeselschaftliche Organisationen bis ins linksliberale Spektrum sind im Zweifelsfall rechte migrantische Organisationen auch unkompliziertere Bündnispartner*innen als zum Beispiel die von ihnen bekämpften türkischen und kurdischen Linken.

Während die SCHURA selbst die letzten Jahre nur unregelmäßig als Sprachrohr in die Öffentlichkeit genutzt wurde, haben die verschiedenen Gemeinden des Bündnisses es konstant geschafft wichtige Positionen zu besetzen und sich mit ihren Strukturen in der Stadtgesellschaft zu etablieren. Diese Gefahr ist höchstens anhand der DITIB-Gemeinden am Rande diskutiert worden und der Enheit von türkischer Rechter und Islamist*innen findet bis heute keinerlei Aufmerksamkeit oder zieht gar Konsequenzen nach sich. 

[1] Webseite der SCHURA – http://www.eslam.de/begriffe/s/schura_paderborn.htm
[2] Seite des Integrationsrats auf der Webseite der Stadt Paderborn – https://www.paderborn.de/microsite/teilhabe/integration/integration/01-Integrationsrat.php
[3] Protokoll Integrationsratssitzung – https://stadt-paderborn.rim.gkdpb.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZTZsLHWZHiWS5WKzrQLXIpUFikTtnX9307WstUy-yEUV/Oeffentliche_Niederschrift_Integrationsrat_04.10.2017.pdf
[4] Anfrage an das Sozial- & Kulturamt Paderborn zum homofeindlichen Banner – https://fragdenstaat.de/a/249511
[5] Türkisch Islamische Gemeinde hatte zum Fastenbrechen eingeladen – https://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/paderborn/20515011_Tuerkisch-Islamische-Gemeinde-hatte-zum-Fastenbrechen-eingeladen.html
[6] Webseite der türkisch-islamischen Gemeinde DITIB Paderborn – https://www.ditib-pb.de/
[7] „Ich bin stolz, Türke zu sein“ – Graue Wölfe und türkischer (Rechts-)Nationalismus in Deutschland – https://www.mobile-beratung-nrw.de/fileadmin/content/news/02-Brosch%C3%BCre%20-%20Graue%20W%C3%B6lfe%20und%20t%C3%BCrkischer%20%28Rechts-%29Nationalismus%20in%20Deutschland.pdf
[8] „Wo stehen wir? An Erdoğans Seite“ – https://www.spiegel.de/panorama/extremismus-bei-der-ditib-ein-faible-fuer-die-grauen-woelfe-a-579a9134-bda7-475c-bdac-c9e3adaa52c9
[9] Ditib als „verlängerter Arm“ der AKP in der Kritik – https://www.sueddeutsche.de/politik/islamverband-verraeter-unerwuenscht-1.3101676
[10] Chef des Integrationsrates Paderborn verteidigt Türkeieinsatz in Syrien – https://www.nw.de/nachrichten/zwischen_weser_und_rhein/22589864_Chef-des-Integrationsrates-Paderborn-verteidigt-Tuerkeieinsatz-in-Syrien.html
[11] Erdogan und die Juden – https://www.juedische-allgemeine.de/politik/erdogan-und-die-juden/
[12] Paderborn’daki Türkler Uyum Meclisi için birleşti – https://www.ozturk.de/paderborndaki-tuerkler-uyum-meclisi-icin-birlesti/
[13] Harmonisches Miteinander – https://www.westfalen-blatt.de/owl/kreis-paderborn/paderborn/harmonisches-miteinander-899591
[14] Paderborner Rat der Muslime nimmt Ditib in Schutz – https://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/paderborn/21687541_Paderborner-Rat-der-Muslime-nimmt-Ditib-in-Schutz.html
[15] Webseite der Schulen Eringerfeld – https://schulen-eringerfeld.de/schultraeger/
[16] Die Traumschule – https://www.zeit.de/2007/33/C-Tuerkische-Privatschulen/komplettansicht
[17] Aussteiger sprechen über Geheimorganisation – https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/guelen-bewegung-105.html
[18] Auf dem Marsch durch die Institutionen – https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/guelen-bewegung-in-deutschland-auf-dem-marsch-durch-die-institutionen-12831578.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
[19] Bündnispartner*innen des Bündnis für Demokratie und Toleranz Paderborn – https://buendnisdemokratietoleranz.wordpress.com/buendnispartnerinnen/

Maik Menke – Wohltäter mit SS-Tattoo

In Reaktion zu dieser Recherche hat Maik Menke verschiedene Abwehrmanöver initiiert. Zum Einen versucht er die Recherche über seine SS-Tätowierung als eine Fälschung von „Hatern“ zu darzustellen, welche ihm schaden wollen, weil sie seinen Social-Media-Auftritt und seine Charity-Inzenierung ablehnen. Er leugnet also weiterhin seine Nähe zu faschistischer Ideologie. 
 
Weiterhin führt er als „Beweis“ der Fälschung der Bilder ein Foto von seinem Nacken an, auf dem statt des SS-Tattoos zwei Boxhandschuhe zu sehen sind. Sein Foto wirkt absurd, wenn man sich das dritte Foto in der unten stehenden Galerie seines Nackens ansieht. Dort sind die Handschuhe ebenfalls zu sehen, allerdings auf der anderen Seite des Nackens. Auf der rechten Seite hingegen sind noch die Reste seines angeblich nie existenten Nazi-Tattoos zu erkennen. Mit diesem Wissen lässt sich in dem von ihm veröffentlichten Foto sogar das umgedrehte „E“ und darunter ein „T“ links neben den Handschuhen erahnen. Das legt nahe, dass er sowohl über seine Nazi-Vergangenheit gelogen und dafür sogar ein manipuliertes Foto auf seine Facebook-Seite hochgeladen hat als auch die Reste des Tattoos immer noch hat. Sonst wäre das manipulierte Foto gar nicht notwendig.
 
 
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Der Unternehmer Maik Menke expandiert in den letzten Jahren nicht nur stetig in ganz OWL, sondern auch immer wieder in die Öffentlichkeit. Er tritt in verschiedenen überregionalen Fernsehformaten als Sachverständiger und „Kämpfer gegen Abzocke“ auf [1]. Gleichzeitig inszeniert er sich und sein Unternehmen medienwirksam durch Spenden [2] und andere Charity-Aktionen, vor allem rund um aktuelle Krisen wie die Flut im Ahrtal, den Ukrainekrieg und jüngst die Auswirkungen des Tornados.  Aktuell zeigt sich sogar Paderborns Bürgermeister Michael Dreier prominent auf seinem Instagram-Kanal auf Fotos mit Maik Menke [3].
 
 
Weniger öffentlich inszeniert Menke dagegen seine nationalsozialistische Nacken-Tätowierung des Wahlspruchs der SS „Meine Ehre heißt Treue“ [4]. Er präsentierte sie unter anderem in einer AfD-Gruppe auf Facebook und auf manchen seiner Bilder auf verschiedenen Social-Media-Kanälen ist sie vage zu erkennen. Seine Sympathien zum deutschen Faschismus leugnete er in der Vergangenheit allerdings vehement. Als er von einem Journalisten des „Freitag“ auf eine andere, sichtbar nationalistische Tätowierung „Made in Germany“ in Verbindung mit einem Eisernen Kreuz angesprochen wurde, verneinte er eine rechte Gesinnung und bezeichnete das Tattoo als „nichts politisches“ [5].
 

 

 
Eine Tätowierung des Eisernen Kreuzes als unpolitisch zu bezeichnen, ist so absurd wie üblich unter deutschen Nationalist*innen. Dass Menke den politischen Gehalt dieses nationalistischen Tattoos leugnet, ist angesichts des SS-Tattoos natürlich nicht verwunderlich. (Deutscher) Nationalismus selbst produziert in diesem Land in der Regel kaum Widerspruch. Offene Sympathiebekundung und ideologische Nähe zur SS – auf die das Tattoo ja hindeuten – könnten sein Image als Wohltäter und Spender aber wohl doch ankratzen. Und das könnte dann schlussendlich auch sein Unternehmen gefährden, welches wohl durch das Image Menkes in der jungen Vergangenheit auch den ein oder anderen Auftrag bekommen haben dürfte [6 – 8].
 

Extreme Rechte auf den Demonstrationen der Corona-Leugner*innen in Paderborn

Update:
Wir möchten die Berichterstattung seitens des Westfalenblatts zu unten stehendem Text wie folgt ergänzen:
1. Wir freuen uns zunächst einmal, dass die Lokalpresse das Thema jetzt auch aufgreift und auch, dass wir dazu beitragen konnten.
2. Die Einordnung der von Grundrechte Paderborn und anderen Querdenken-nahen Gruppen organisierten Demonstrationen als „Gegner der Corona-Politik der Bundesregierung“ ist gänzlich falsch und unzureichend. Die Proteste fußen auf der Leugnung der Pandemie, einem Weltverschwörungsglauben, Antisemitismus und der offenen Gleichgültigkeit bis Verachtung „Schwacher“ (wie vorerkrankter oder armer Menschen). Zahllose Kritiker*innen der deutschen Corona-Politik rufen genau aus diesen Gründen nicht dazu auf, sich diesen Demonstrationen anzuschließen.
3. Wir haben nicht behauptet, AfD und Junge Alternative würden die Demonstrationen mitorganisieren. Der Beitrag weist mit Quellenangabe darauf hin, dass sie in entsprechenden Telegram-Gruppen vertreten sind.
4. Selbst wenn wir diese Behauptung aufgestellt hätten, ist uns schleierhaft, wieso die Meinung eines Faschisten eingeholt und ihm darüber hinaus eine Plattform gegeben wird, seine reaktionären Ansichten zu verbreiten.
5. Wir haben auch nicht behauptet, alle an den Demonstrationen Teilnehmenden seien aktiv in der rechten Szene. Der Beitrag belegt anhand von Screenshots öffentlicher Telegram-Gruppen und Aufnahmen von Demonstrationen, dass a) Vetreter rechter Szenen von Anfang an offen an den Veranstaltungen teilgenommen haben und akzeptiert wurden, b) es grundlegende Überschneidungen im Weltbild zwischen diesen Vertretern und dem Rest der Proteste gibt und c) Teile der Corona-Leugner_innen sich explizit mit dem Kauf von Waffen beschäftigen.
6. Wir würden ebenfalls begrüßen, wenn auch bürgerliche Journalist*innen sich ein differenziertes Bild rechter Ideologien, Szenen und Strategien zulegen würden. Festzustellen, dass die Corona-Proteste grundlegende ideologische Überschneidungen mit der Extremen Rechten haben (wie Weltverschwörungsideologien, daraus resultierender Antisemitismus oder die Verachtung „Schwacher“), ist etwas anderes als ihnen zu unterstellen, in einer rechten Szene aktiv zu sein. Wenn solche grundlegendenen Überschneidungen vorhanden sind und extrem rechte Akteur*innen wie Weber oder Tim K. sich offen in die Demonstrationen einreihen, kann eben auch nicht mehr von sich untermischen die Rede sein. In Kurzfassung: Der Beitrag zeigt, dass die Teilnehmerin einer anderen Querdenken-Demonstration auch die Paderborner Demonstrationen sehr gut zusammenfasst.
7. Tim K. ist nicht mutmaßlich ein Rassist.
 
 
 
Durch die enormen Mobilisierungserfolge der Corona-Leugner*innen sind diese wieder vermehrt Teil der öffentlichen Debatte geworden. Auf den letzten großen Paderborner Demonstrationen waren wieder verschiedene Akteur*innen der Extremen Rechten anwesend. Neben der in der Lokalpresse aufgegriffenen Teilnahme von Timm „Tim K.“ Kellner liefen beim Aufmarsch am 10.01.2022 auch eine Gruppe von etwa zehn Personen der „Domstädter“ – rechte Hooligans des SC Paderborn – mit. Diese Auftritte reihen sich in eine bundesweit zu sehende Entwicklung ein, in der rechte Hooligans teilnehmen und sich im Falle eine Eskalation mit der Polizei als Speerspitze profilieren¹.
 
Um solche Entwicklungen zu erklären, wird häufig das Narrativ des „sich untermischen“ oder unterwandern“ der Proteste durch die Extreme Rechte bemüht. In Paderborn sind jedoch faschistische Gruppen und Personen seit Beginn fester Bestandteil der Demonstrationen. Die lokale Junge Alternative und AfD² nehmen schon seit zwei Jahren regelmäßig an den Demonstrationen teil und sind in den organisierenden Telegram-Gruppen vertreten³. Mehrmals waren Gerd und Anna-Maria Ulrich, die Teil der verbotenen HDJ waren, bei  den Kundgebungen der Paderborner Corona-Leugner*innen anwesend⁴. Sie haben Kontakte zu Teilen des Organisationskreis, mit denen zusammen sie eine Schilder-Aktion an einer Landstraße durchführten. Ebenfalls besuchte der Vorsitzende des Thule-Seminars Burkhart Weecke die Demonstrationen.
 
Auch bezogen auf ihr Weltbild gab es von Anfang an Überschneidungen zwischen extremer Rechter und den Corona-Protesten. Seit Beginn teilten Organisator*innen und Teilnehmende der Corona-Proteste strukturell und offen antisemitische Inhalte. Das ist auch nicht verwunderlich, ist doch die Erzählung der Coranaleugner*innen von der großen Corona-Verschwörung selbst schon antisemitisch. Die Narrative von der „Verschwörung einer globalen Elite“ sind dabei aus alten antisemitischen Verschwörungserzählungen wie den sogenannten Protokollen der Weisen von Zion oder der Brunnenvergiftererzählung übernommen. Auch die prinzipielle Ablehnung der sogenannten Schulmedizin spricht die ethnonationalistische Szene an, was sich auch in der Teilnahme der oben genannten Familie Ulrich und Burkhart Weeckes an den Demonstrationen widerspiegelt. Besonders abstoßend ist in diesem Kontext auch, dass einige Teilnehmende ihre Situation als Ungeimpfte in der Pandemie mit der Situation von verfolgten Gruppen im Nationalsozialismus vergleichen. Darüber hinaus teilen sowohl der Organisationskreis als auch die Teilnehmenden um Grundrechte Paderborn in diversen Telegram-Gruppen offen antisemitische Inhalte, von juden*jüdinnenfeindlichen Verschwörungstheorien um den Ukraine-Konflikt bis hin zur Shoa-Leugnung. Selbst die Shoa-Leugnerin Ursula Haverbeck wird in diesen Gruppen ohne große Kritik verbreitet.
 
Auch in Paderborn kann daher kaum von Unterwanderung die Rede sein. Wie schon in einem früheren auf dieser Plattform erschienenen Beitrag zu lesen war, sind die Corona-Proteste Teil der Extremen Rechten, nicht von ihr unterwandert.  Umso besorgniserregender ist dann, dass in den Kanälen von Grundrechte Paderborn inzwischen auch Hinweise zu anderen Kanälen geteilt werden, in denen Tipps zur Bewaffnung, vor allem mit Armbrüsten, gegeben wird. In Anbetracht dessen klafft eine gewaltige Lücke zwischen der Gefahr der Corona-Leugner*innen und dem laschen zivilgesellschaftlichen Umgang mit ihren wöchentlichen Aufmärschen.
 
 
Quellen:

Die völkische AfD Paderborn und ihre Verbindungen in andere Teile der extremen Rechten

Dass die AfD sich auch in Paderborn in Richtung des völkischen Flügels entwickeln würde, zeigte sich spätestens nach dem Höcke-Besuch 2016 [1]. Inzwischen sitzt sie seit über einem Jahr auch im Stadtrat und sucht über den nationalistischen, frauenfeindlichen und rassistischen Grundkonsens der AfD hinaus, immer wieder die Nähe zu offenen Faschist*innen und völkischen Erzählungen.
 

Die AfD Paderborn und ihre „Flügel“-Kämpfe

Eskaliert ist der Machtkampf zwischen dem nationalen Parteiflügel, vor allem vertreten durch den damaligen KV-Vorsitzenden Günther Koch, und dem völkischen Flügel um die Vormachtstellung im KV im Jahr 2017. Am Ende setze sich der Flügel durch und dessen Vertreter Karl-Heinz Tegethoff wurde KV-Vorsitzender [2-3]. Tegethoff ist auch 2021 noch Vorsitzender und sitzt für die AfD im Kreistag Paderborn. Tegethoff hat seine Vorstellung einer „ethnisch reinen“ Nation wohl am besten mit folgender Aussage zusammengefasst: „Nation ist für mich die Homogenität einer Gesellschaft als Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie“ [3] und hat, wie diese Plattform erst vor wenigen Tagen berichtete, keine Scheu vor Reichsbürger*innenpositionen.
 
Bei den Kommunalwahlen 2020 trat die AfD mit Marvin Weber zur Bürgermeister*innenwahl an. Weber wohnte anscheinend bis vor Kurzem in der Winfriedstraße, lebt inzwischen aber am Liboriberg 27 im obersten Stockwerk. Die Paderborner AfD schaffte es auch mit 5% und drei Ratsherren, inklusive Weber, in den Stadtrat einzuziehen. Seitdem versucht die Fraktion der AfD im Stadtrat ihre nationale Politik auch lokal umzusetzen. In Ihrem Wahlprogramm lehnen sie u. a. den Bau von Moscheen in Paderborn ab, schwafeln von No-Go-Areas in Paderborn, leugnen den Klimawandel und fordern unter Nutzung des strukturell antisemitischen Bildes des „Heuschreckenkartells“ [4-5] die Energiewende sofort zu stoppen.

Die AfD Paderborn und ihre Verbindungen zur übrigen extremen Rechten

Karl-Heinz Tegethoffs Sohn Matthias, der ebenfalls für die AfD im Kreistag sitzt, trägt ein Nebenprojekt des Kreisverbandes den Alternativen Kulturkongress. Durch die Rednerliste verdeutlicht sich die Nähe des Kreisverbandes zum Ethno-Nationalismus. Auf ihren Veranstaltungen treten neben prominenten Vertretern des Flügels wie Höcke, Mandic und Kalbitz auch der rechte Influencer Tim Kellner und ein Sprecher von Matteo Salvini (Lega Nord) auf [6].
 
Schon früh gab es Verbindungen der Jungen Alternativen (JA) Paderborn mit der Identitären Bewegung (IB). Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben oben erwähnten Matthias Tegethoff unter anderem Größen der IB wie Martin Küsterarend und Davy Mühlenbein [7-8]. Die Junge Alternative – auch die in Paderborn – distanzierte sich im Laufe der Jahre immer wieder von der IB, die Kontakte sind allerdings nie abgerissen. Bundesvorstandsmitglied der Jungen Alternativen Nils Hartwig ist selbst bei der Identitären Bewegung aktiv gewesen [9] und war auch in Aktionen der JA Paderborn involviert, unter anderem bei einer Banneraktion im März dieses Jahres vor der CDU-Zentrale Paderborn. Hartwig ist auch Mitglied der extrem rechten Burschenschaft Nibelungen aus Bielefeld [10-11]. Verbindungen zu den Nibelungen hat auch Bielefelder JA-Aktivist Jonas Vriesen, der immer wieder bei Aktionen der AfD und JA in Paderborn unterstützt. Mit diesen Verbindungen geht Vriesen auch sehr offen um und gratuliert den Nibelungen schon mal auf Facebook zum Geburtstag [11]. 
 

Die AfD Paderborn und die „Patrioten Paderborn“

Wie diese Plattform bereits berichtete, dient die Telegram-Gruppe „Patrioten Paderborn“ als Vernetzungspunkt verschiedener Akteuer*innen der extremen Rechten im Raum Paderborn. Darunter war unter anderem oben erwähnter Küsterarend, der sie jedoch direkt im Anschluss an die Veröffentlichung auf dieser Plattform verließ. Marvin Weber nutzte die Gruppe vor allem als Werbeplattform für seine eigenen Auftritte und Inhalte, trat dann aber aus, weil eine seiner Aktionen selbst dort als zu rassistisch angeprangert wurde. Weber war nicht das einziges AfD-Mitglied in der Gruppe. Dort anzutreffen ist auch Julian Hermneuwöhner, der die Gruppe vor allem nutzt um die Mitglieder von der Wahl der AfD zu überzeugen und Treffen zu organisieren. Hermneuwöhner wohnt in Büren und studierte nach eigenen Angaben an der Uni Paderborn Informatik. Innerhalb der lokalen AfD und JA hat er verschiedene Ämter und Funktionen und arbeitete darüber hinaus für den AfD-Landtagsabgeordneten Christian Loose. Er ist regelmäßig bei Veranstaltungen und Aktionen zugegen, unter anderem auch bei der bereits erwähnten Banneraktion der JA. 

 

Die AfD Paderborn und die lokale Corona-Leugner*innenszene

Die gesamte Pandemie über versuchte die AfD in Paderborn offensichtlich, Coronaleugner*innen als Wähler*innen zu gewinnen. In Social-Media-Posts aber auch bei Plakaten und Reden auf Veranstaltungen griffen AfD und JA immer wieder Verschwörungserzählungen der Corona-Leugner*innen auf. Am 01.05.2021 veranstaltete die Paderborner AfD beispielsweise eine Kundgebung zu dem Thema vor dem Paderborner Rathaus. Schon im Veranstaltungsaufruf wurden massive Grundrechtseinschränkungen und eine angebliche „Lockdown-Tyrannei“ herbeifantasiert. Neben Marvin Weber traten Rüdiger Lucassen und Markus Wagner, sowie Elia Siervers und Nils Hartwig ans Redner*innenpult.
 
Darüber hinaus sind auch einige Mitglieder des AfD KV Paderborn selbst in der Paderborner Coronaleugner*innenszene aktiv. Siegfried Meier (Beisitzer im Vorstand der AfD Salzkotten), Reimund Ruhe (Listenplatz 5 bei der Kommunalwahl 2020) und Roswitha Tegethoff sind beispielsweise in der Telegram-Gruppe „Querdenken Paderborn“. Siegfried Meier und Reimund Ruhe luden außerdem Demostreams der Coronaleugner*innen-Gruppe „Grundrechte Paderborn“ und Vlogs über die „Merkeldiktatur“ auf ihren Kanälen bei diversen Videoportalen hoch [11]. Auf einigen dieser gefilmten Demonstrationen sind unter anderem die bekannten Antisemit*innen und HDJ-Aktivist*innen Gerd und Anna-Maria Ulrich sowie Burkhart Weecke (stellvertretender Vorsitzender des rechtsextremen ThuleSeminars), gegen den gerade eine Anzeige wegen Volksverhetzung läuft, zu sehen [12-15]. 
 

Höcke-Kundgebung am 15.09.2021

 
Bei der AfD-Kundgebung vom 15.09.2021 auf dem Paderborner Marktplatz traten die oben beschriebenen Verbindungen deutlich zu Tage. Nicht nur bezeugt die erneute Einladung Höckes ihre Position zum ethnonationalistischen Flügel der AfD, auch das Publikum verdeutlicht die tiefe Vernetzung in andere Teile der extremen Rechten. Unter den Teilnehmer*innen waren unter anderem die oben erwähnten Burkhart Weecke, Martin Küsterarend und Nils Hartwig. Weber und Höcke machten sogar ein Foto gemeinsam mit IB-Kader Küsterarend, das Weber im Anschluss an die Veranstaltung in einer Instagram-Story teilte. Am Rande der Demo wurde auch DIE LINKE-Kandidatin Martina Schu von einem Teilnehmer der Kundgebung angegriffen. Das sagt bereits alles Notwendige über  den Charakter des Paderborner AfD-Kreisverbandes. Wir möchten an dieser Stelle Martina Schu unsere Solidarität aussprechen und wünschen ihr gute Genesung!
 
 

Die AfD Paderborn, AfD-MdB Udo Hemmelgarn und der Antisemitismus – Oder: Was AfD-Vertreter*innen von sich geben, wenn sie meinen unter sich zu sein

 
Inhaltshinweis: Verschwörungsideologien, (Vernichtungs-)Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus, Schuldabwehr bei der Shoa, Rassismus
 
Demnächst stehen wieder Bundestagswahlen an. Inzwischen ist zwar klar, wofür die AfD steht, trotzdem gibt es Aussagen und Meinungen innerhalb der Partei, die ihre Vertreter*innen nicht gerne in der Öffentlichkeit sehen. In dieser Veröffentlichung dokumentieren wir daher genau solche Aussagen. Alles folgende wurde bei internen Veranstaltungen des KV Paderborn der AfD geäußert – also wenn Anwesende dachten, sie seien unter sich. Wir konzentrieren uns in der Veröffentlichung auf Aussagen von AfD-MdB Udo Hemmelgarn und seine Reaktionen auf die anderer Anwesender. Sie stehen aber nur exemplarisch für was bei diesen Veranstaltungen passiert. Hemmelgarn mag vielleicht nicht bundesweit als Faschist bekannt sein – sollte es aber vielleicht, da er auch in drei Wochen wieder für die AfD zur Bundestagswahl antritt. Er steht auf Platz 13 der NRW-Landesliste der Partei und hat daher gute Chancen für die AfD erneut in den Bundestag einzuziehen.
 

Der Große Austausch und der Vernichtungsantisemitismus

Eine – wenn nicht die – zentrale Verschwörungserzählung der Extremen Rechten ist der Große Austausch¹. Laut der Erzählung gäbe es ein zivilisiertes Europa, dem ein primitives Afrika und ein triebgesteuerter Naher Osten gegenüberstehen. Geflüchtete, die aus diesen beiden Regionen nach Europa fliehen, würden das den Anhänger*innen dieser Theorie zufolge, nicht individuell wegen Krieg, Hunger, Diskriminierung und Verfolgung tun, sondern gesteuert, koordiniert und geplant. Wer diese Massenflucht planen soll, hängt davon ab, wer gefragt wird. Offene Antisemit*innen sagen frei heraus, dass eine jüdische Verschwörung dahinter steckt. Weniger offene Antisemit*innen verstecken sich hinter Eliten, die im Hintergrund die Geschicke lenken. Ziel sei in jedem Fall das weiße Europa auszulöschen und Weiße durch Schwarze und/oder Menschen aus dem Nahen Osten zu ersetzen. Als Reaktion auf diesen herbeifantasierten Vernichtungsversuch sieht die Extreme Rechte, was sie ohnehin für richtig hält: Vernichtungsantisemitismus, Rassismus, Antifeminismus und einen autoritären Staat. Daher ist auch nicht verwunderlich, dass die Idee hinter dem Großen Austausch keine neue in der Extremen Rechten ist. Während in der Neuen Rechten ‚Großer Austausch‘ die beliebteste Vokabel dafür zu sein scheint, kursieren auch weitere Begriffe wie ‚Volksaustausch‘ und ‚Bevölkerungsaustausch‘. In der traditionellen Extremen Rechten wurden und werden sehr ähnliche Konzepte auch ‚Umvolkung‘ und ‚Volkstod‘ genannt. In letzter Zeit erhielt die Idee während der Corona-Pandemie neuen Auftrieb. Viele Anhänger*innen des Großen Austausch sahen die Pandemie als den Moment, in dem der Austausch endgültig vollzogen wird. Sie sprachen daher von der Pandemie als Great Reset.
 
Hemmelgarn und weitere Anwesende bei den Veranstaltungen der AfD Paderborn behaupten wiederholt die Existenz des ‚Großen Austausch‘ oder greifen auf dessen Versatzstücke zurück. Am deutlichsten wird das im folgenden Ausschnitt, in dem Hemmelgarn sogar den Begriff ‚Volksaustausch‘ verwendet:
Hemmelgarn:„Und da sind richig schöne Programme dabei. Insbesondere …“
Zwischenrufer: „Volksaustausch“
Hemmelgarn: „… ja, kann man im Grundsatz sagen. Es wird mit diesen Programmen wird ein Volksaustausch [durchgeführt]. Die schaffen sich ein eigenes Volk.  Und es sind insbesondere Schwarzafrikaner. Und ich sag Ihnen ganz ehrlich, ich kann nicht erkennen, dass in Ghana, im Senegal oder auch in Burkina Faso, dass die Leute aus Asylgründen hier rüberlaufen, also wirklichen Asylgründen. Das sind alles ökonomische Sachen. Und die wissen das. Also: man schafft sich ein anderes Volk.“
 
 
Selbst die für die AfD typischen rassistischen Argumentationsmuster, die Hemmelgarn an anderen Stellen abspult, fügen sich nahtlos in diese Erzählung ein. So nennt er Flucht syrischer Geflüchteter im Jahr 2015 einen „Einmarsch [von] jungen Männern“, behauptet, dass der Bürgerkrieg in Syrien nur inszeniert sei und sagt: „Wer über sieben Grenzen läuft, das kann kein wahrer Flüchtling sein“. Es ist damit natürlich nicht gesagt, dass er sich für alle oben beschriebenen mit dieser Erzählung einhergehenden Forderungen offen einsetzen würde. Der dem ‚Großen Austausch‘ zu Grunde liegenden Denkweise folgt er aber auf jeden Fall und setzt sie bewusst ein.
 

Geschichtsrevisionismus, Reichsbürger*innen und Antisemitismus

Zuschauer*innen bei diesen Veranstaltungen docken oft nahtlos mit weiteren Verschwörungsmythen an solche Äußerungen an. Ein Anwesender spricht beispielsweise von „Betrügereien der Hochfinanz“ bzw. „den Allermächtigsten“, von denen „die ganze Welt unterworfen und ausgeraubt wird“ und die „die Kriege angezettelt“ hätten. Er bedient damit die weit verbreitete antisemitische Chiffre des parasitären, mächtigen Juden, der aus dem Hintergrund die Geschicke der Welt lenkt². Trotz dieser antisemitischen Ausfälle kann der Zuschauer mehr als dreieinhalb Minuten sprechen ohne unterbrochen zu werden und ohne inhaltlichen Widerspruch zu erhalten.
 
 
Es werden auch immer wieder Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus miteinander verknüpft. So behauptet ein Zuschauer unter breiter Zustimmung, dass die Geschichtsschreibung zum NS-Faschismus von den Alliierten gefälscht wurde. An anderer Stelle wird auch der Mythos des „Völkermordes an deutschen Vertriebenen“ verbreitet. Gemeinsames Element dieser Erzählungen ist nicht nur ihr Verschwörungscharakter, sondern auch ihre Funktion der Schuldabwehr gegenüber der Shoa. Hemmelgarn reagiert, wenn überhaupt, zustimmend auf solche Einwürfe, verweist aber darauf, dass diese Themen aktuell nicht öffentlich behandelt werden können. Das würde zu schlechte Presse geben. Man würde stattdessen „das Thema zur richtigen Zeit“ ansprechen.
 

 
Auch Verschwörungsmythen aus dem Reichsbürger*innen-Spektrum werden bei diesen Veranstaltungen offen verbreitet. Als ein Anwesender bei einer Veranstaltung behauptet, Deutschland befinde sich im Kriegszustand und es gäbe keinen Friedensvertrag, stimmt KV-Vorsitzender Karl-Heinz Tegethoff offen zu. Auch er gibt aber zu bedenken, dass es aktuell strategisch nicht sinnvoll sei, dieses Thema zu diesem Zeitpunkt öffentlich zu thematisieren. Hemmelgarn stimmt ebenso erneut zu und bezeichnet das Grundgesetz in diesem Zusammenhang als ein „Gesetz für Sklaven“. Das ist insbesondere interessant, weil er 2017 in den Kontext von Reichsbürger*innen gesetzt wurde³, damals aber beteuerte, er stünde „voll und ganz“ hinter dem Grundgesetz. An anderer Stelle wird in ebenso reichsbürger*innentypischer Manier behauptet, Deutschland sei ein „Vasallenstaat“ und „besetztes Land“. Auch hier gibt es keine Kritik. Wenn reagiert wird, dann mit inhaltlicher Zustimmung.
 

 

Israel und Antisemitismus

Im Zuge der oben besprochenen Diskussionen kam auch das Thema Israel und Deutschlands Verhältnis zu Israel zur Sprache. Anwesende dämonisieren Israel dabei, unterstellen ihm Staatsterror und ethnische Säuberung der palästinensischen Bevölkerung und nennen das Land einen „Vertreiber- und Verfolgerstaat“. Die Gratulation Alexander Gaulands und Beatrix von Storchs anlässlich des 70. Geburtstags Israels wird als die „schlimmste Unterwerfung und ein Verrat an unseren Eltern, Großeltern und an der deutschen Wehrmacht“ bezeichnet. Gerade Letzteres macht deutlich, dass kein Bruch mit dem NS-Faschismus und den deutschen Täter*innen erfolgt ist. Auch hier erfolgt wieder keine Kritik der Anwesenden. Im Gegenteil: Auf die „Untwerfung“ Gaulands und von Storchs angesprochen, reagiert Hemmelgarn mit „Das sind aber nicht alle, die sich unterworfen haben“. Er distanziert sich also von Gauland und von Storch und positioniert sich anti-israelisch antisemitisch. Das Thema wird mit der witzig gemeinten Ankündigung beendet: „Darum kümmern wir uns wenn wir 45% haben“.
 
 
Diese interne Positionierung steht in starkem Kontrast zur eigenen Außendarstellung der Partei als Verbündete Israels. Das ist natürlich nicht überraschend, da besondere Israel-Verbundenheit (nicht nur) von der Extremen Rechten gerne und oft genutzt wird, um den eigenen antimuslimischen Rassismus zu legitimieren. Das tat die AfD Paderborn selbst erst vor Kurzem – am 21. Mai 2021 – im Zuge der erneut aufflammenden Konflikte zwischen Israel und der Hamas, als sie, wie unten stehendes Bild zeigt, bei einer Kundgebung an der Herz-Jesu-Kirche Solidarität mit Israel heuchelte, um rassistische Abschiebeforderungen zu rechtfertigen und dabei nebenbei die Shoa verharmloste.
 

 

 

Das Verhältnis zur CDU (und Antisemitismus)

Ein regelmäßiger Gast von AfD-Veranstaltungen ist Hartmut Kluge, der bis mindestens 2018 nach eigener Aussage Mitlgied der CDU Hövelhof ist und in mehreren Aufnahen oben zu hören ist. Er sagt darin selbst, er sei mit Höcke befreundet und dass beide sich aus dem antisemitischen und CDU-nahen „Arbeitskreis Konservativer Christen“5 kennen. Kluge besuchte außerdem schon 2010 zusammen mit Höcke eine Nazi-Demo in Dresden6.
 
Ein anderes CDU-Mitglied, das offenbar wenig Abstand zu Hemmelgarn und der AfD hält, ist der Paderborner Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann. Nach Aussage Hemmelgarns ist Linnemann eins der wenigen Mitglieder des Bundestags, mit denen er ein gutes Verhältnis hat.
 
 
Zum Abschluss um das Trio der guten Verbindungen der AfD zur CDU zu unterstreichen und als Bonus für alle, die bis hier durchgehalten haben, noch eine bizarre Anekdote von Hemmelgarn über Aussagen des Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Zu klären, ob Hemmelgarn gelogen hat oder Jens Spahn sich wirklich nicht „traute“, diesen Quatsch öffentlich zu sagen, sehen wir nicht als unsere Aufgabe.
 
 
 
 

Extrem-rechter Uniter-Verein in Paderborn aktiv

Seit der ursprünglichen Veröffentlichung dieses Blogposts haben sich mehrere Dinge ereignet. Wir möchten den Blogpost daher in zweierlei Hinsicht ergänzen:
Anmerkung 1: Herr Stolla hat uns persönlich kontaktiert und legt Wert darauf nicht weiß zu sein und selbst Rassismus erfahren zu haben. Wir haben unsere Kritik in Bezug auf die Verwendung des N-Worts und den damit in Bezug stehenden Witz entfernt. Das beeinflusst den Rest unserer Argumentation allerdings nicht.
Anmerkung 2: Im Ursprungstext hatten wir geschrieben, dass die Kinder- und Jugendhilfe Schloss Hamborn eine während eines Uniter-Workshops gesammelte Spende erhalten hat. Als Beleg dafür haben wir einen Facebook-Post David Stollas verwendet. Inzwischen hat uns der Schloss Hamborn Rudolf Steiner Werkgemeinschaft e.V. diesbezüglich kontaktiert und verneint diese Spende. Wir wurden weiterhin aufgefordert die Aussage aus dem Beitrag zu entfernen. Wir haben daraufhin die Formulierung im Blogpost abgeschwächt und bitten um Entschuldigung nur auf David Stollas Aussage vertraut zu haben. Der Verein hat weiterhin mitgeteilt, alle Zusammenarbeit mit David Stolla zu beenden. Diese Entwicklung nehmen wir erfreut zur Kenntnis.
 
 
Der Präsident des Bundesverfassungsschutz Thomas Haldenweg war vor einigen Monaten in den Schlagzeilen, weil einer seiner Personenschützer sich als Mitglied des extrem rechten Vereins Uniter e.V. herrausstellte. Der Verein und die Ideologie seiner Mitglieder wurden der Öffentlichkeit zuerst vor ein paar Jahren im Rahmen der Veröffentlichung rund um das Hannibal-Netzwerk bekannt. Als der aktuell Vorfall, der in einer langen Reihe extrem rechter Ausschläge der Verfassungsschutzbehörden steht, an die Öffentlichkeit kam, war das Uniter-Mitglied bereits nicht mehr beim Verfassungsschutz.
 
Uniter sollte jedoch nicht nur beim Verfassungsschutz ein Thema sein, sondern auch in Paderborn. Der Vorsitzendes des Paderborner Kampfsportvereins Wing Martial Arts e.V. (WMA) David Stolla war bis vor Kurzem Mitglied des Vereins und Uniter und Stollas Kampfsportverein organisierten regelmäßig Veranstaltungen zusammen. Der Sitz von WMA ist Stollas Privatadresse in der Personenstraße 48 in Paderborn. In  Kooperation mit Uniter führte Stolla zahlreiche Veranstaltungen in Paderborn durch. Dazu zählen u.a. sogenannte „Taktische Verteidigungstrainings“ am 28.11.2019 und 19.04.2020, von dem ersteres auch auf dem Instagram-Profil Uniters dokumentiert ist. Diese Trainings richten sich gezielt an Personen der Sicherheitsbranche,  an Poilizist*innen und Soldat*innen. Dies birgt die Gefahr der Vernetzung von extrem Rechten Mitgliedern der Exekutive. Außerdem führte er in Kooperation mit Uniter einen Selbstverteidigungskurs für Kinder durch, wobei naheliegt, dass er sein Weltbild auch hier vermittelt. Diese waren ursprünglich auch auf der Webseite von WMA aufgeführt, wurden in der Zwischenzeit allerdings entfernt.
 
Sowohl auf seiner Facebookseite aber auch auf seinem Instagram-Profil geht Stolla allerdings sehr offen mit seiner Uniter-Verbindung um. Und auch sonst liefern seine Profile dort Einblicke in sein Weltbild. So teilt er beispielsweise auch Lügenpresse-Memes, die Polizeigewalt verharmlosen. Bei einem gestandenen Uniter-Mitglied sind solche Posts allerdings nicht weiter überraschend und bestätigen allenfalls nur noch das rechts-autoritäre bis extrem rechte Weltbild.
Stolla ist im Paderborner Raum trotz rechter Gesinnung alles andere als isoliert. So unterrichtete er, laut eigener Aussage, an der Waldorfschule in Schloß Hamborn das Fach „Innere und höhere Kampfkünste“. Ebenfalls hat David Stolla berichtet der „Kinder- und Jugendhilfe Schloss Hamborn“ eine Spende zu übermitteln, welche bei einem Uniter-Lehrgang gesammelt wurde. Laut der Schloss Hamborn Rudolf Steiner Werkgemeinschaft e.V. gab es allerdings keine Spende von Uniter oder Stolla.

Im Oktober 2020 gab David Stolla dann via Instagram bekannt, dass er seit April desselben Jahres kein Mitglied mehr bei Uniter sei. Hierfür führt er allerdings keine moralischen Gründe an, sondern lediglich die aktuelle mediale Öffentlichkeit für den extrem Rechten Verein. So distanziert er sich explizit nicht von der Arbeit des Vereins und wünscht ihnen „alles gute für die Zukunft“. Deshalb bleiben die Kampfsportangebote von seiner Person und Wing Martial Arts e.V. ein gefährlicher Raum zur Verbreitung extrem rechter Ideologie. 

 

Vereinssitz der Identitären Bewegung bei Martin Küsterarend in Oberntudorf – Salzkotten

[Dieser Beitrag wurde freundlicherweise zurerst vom Recherchekollektiv OWL auf ihrer Seite veröffentlicht. Wir dokumentieren den Beitrag hier lediglich, da er Paderborn betrifft. Hier geht es zum Originaltext.]

Im Januar dieses Jahres wurde der Vereinssitz der Identitären Bewegung von Rostock nach Salzkotten verlegt. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Daniel Fiß nicht mehr Vereinsvorsitzender der Identitären ist [1]. Einige Wochen später wurde der Vereinssitz innerhalb des Ortes von der Brockensklee 27 in die Almestraße 10, 33154 Oberntudorf-Salzkotten verlegt [2].

Hier wohnt, wie sowohl vom engstem Familienkreis als auch in einer lokalen Telegram-Gruppe der extremen Rechten (siehe unten) von ihm selbst bestätigt wurde, der seit vielen Jahren in der Identitären aktive Martin Küsterarend. Küsterarend war zunächst im AfD-Umfeld aktiv. So gründete er 2014 – unter anderem zusammen mit David Mühlenbein – den Kreisverband Paderborn der Jungen Alternativen mit [3]. Außerdem besuchte er 2016 auch die AfD-Kundgebung in Paderborn, bei der Björn Höcke sprach. Nach seiner AfD-Zeit wurde er  zunehmend bei Aktionen der Identitären Bewegung gesichtet, unter anderem Anfang 2020 in Bielefeld [4], aber auch vor Kurzem in Köln oder beim sog. Sturm auf den Reichstag bei der Corona-Leugner*innen-Demo in Berlin [5-6].

Küsterarends Weltbild lässt sich auf seiner Facebookseite einfach erkennen. So folgt er dem Alternativen Kulturkongress [7],  der rechtsradikalen Parodieseite ZGI und der us-amerikanischen Faschistin Brittany Sellner. Er ist darüber hinaus in der extrem rechten Szene stark vernetzt. Unter seinen FacebookfreundInnen befinden sich nicht nur ranghohe IB-Kader, wie Kai Alexander Naggert (IB NRW), Armin Fuhrmann (IB Westfalen), Dorian Schubert vom ehemaligen identitären „Hausprojekt“ in Halle oder Robert Timm (IB Berlin), sondern auch Größen aus der lokalen rechten Szene. Dazu gehören unter anderem der Neonazi Dennis Spieker von der Hooligangruppe „Domstädter“ sowie die Vorstandsmitglieder der Jungen Alternative Detmold Julian Hermneuwöhner und Rico Kusnierz.

Außerdem ist Küsterarend unter dem Pseudonym „Madaladin“ Mitglied der Telegram-Gruppe „Patrioten Paderborn“. Hier werden verschiedene menschenfeindliche Inhalte geteilt und sich lokal vernetzt. Küsterarend gab in der Gruppe u.a. auch offen zu, dass er Mitglied der extrem Rechten Identitären Bewegung ist. Neben ihm ist in der Gruppe ebenfalls der Bürgermeisterkandidat der AfD Marvin Weber.

1. https://rechtemedieninfo.blogspot.com/2019/08/identitare-bewegung-deutschland-ibd.html
2. https://www.identitaere-bewegung.de/impressum/
3. https://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/bad_wuennenberg/10052865_Junge-Alternative-gruendet-Kreisverband.html
4. https://twitter.com/ibdoku/status/1227999943165698050
5. https://twitter.com/IbDoku/status/1301910427819847680
6. https://twitter.com/Antifa_Info_Bi/status/1300114750555160577
7. http://www.lotta-magazin.de/ausgabe/online/das-erfurt-des-westens-der-afd

„Hygiene-Demos“ in Paderborn

Seit einigen Wochen finden auch in Paderborn Kundgebungen statt, die den sogenannten ‚Hygiene-Demos‘ zuzurechnen sind. Nach außen versuchen sie zu vermitteln, dass ihre Gemeinsamkeiten lediglich in der Ablehnung der AntiCorona-Maßnahmen liegen und der Protest gegen diese ihr hauptsächliches politisches Anliegen sind.
Mit Blick auf ihre interne Kommunikation via Telegram lässt sich dieses Bild allerdings recht schnell erschüttern. Der Organisationskreis hat sich in eine interne und eine offene Gruppe aufgeteilt und während in Letzterer zumindest noch versucht wird, den Schein zu wahren, teilen die Mitglieder der internen Gruppe „Austausch Pb für Freiheit“ – die etwa 90 Mitglieder umfasst – sehr offen ihr verschwörerisches und antisemitisches Weltbild mit. Das wird der offenen Gruppe verheimlicht und diese dadurch angelogen. So wird sich beispielsweise darauf geeinigt den inzwischen offen rechtsradikalen und verschwörungsideologischen Attila Hildmann [1-4] zwar noch in der internen aber nicht mehr in der offenen Gruppe zu teilen, um dort einen bürgerlicheren Eindruck zu machen.

 

Verbindungen zur extremen Rechten
Auch sonst haben die Organisator*innen keine Berührungsängste mit Vertreter*innen der extremen Rechten und bekannten Verschwörungsideolog*innen. Einige bekennen die AfD zu wählen, andere verharmlosen den Nationalsozialismus, indem sie die aktuellen Beschränkungen mit 1933, dem Jahr der Machtübergabe an die NSDAP, gleichsetzen. Darüber hinaus wird fleißig auf Ken Jebsen [5-8], Oliver Janich [9], Xavier Naidoo [10-13], Eva Hermann [8,14], Tim Kellner[15] und andere offen rassistische und antisemitische Verschwörungspropagandist*innen Bezug genommen und es werden ihre Telegram- und Youtube-Kanäle geteilt.

Die Organisator*innen beschränken sich allerdings nicht darauf, deren Kanäle zu verlinken, sondern teilen auch ihr verschwörungsideologisches Weltbild. Das
drückt sich unter anderem darin aus, dass mehrere Mitglieder der Gruppe offen Reichsbürger*innenideologie [16] verbreiten. Sie sprechen von der „BRDStaatssimulation“ oder behaupten Deutschland sei noch immer von den Alliierten besetzt. Die Bezeichnung Reichbürger*in lehnen einige von ihnen auch nicht für sich ab.

 

Verschwörungsideologie
Sie glauben aber nicht nur an den Verschwörungsmythos der BRD GmbH, sondern beispielsweise auch an Chemtrails [8, 17] oder dass Bill Gates Impfungen dazu nutzt, der Bevölkerung Chips zur lückenlosen Überwachung zu implantieren [18]. Letztere wurde auch in Redebeiträgen bei mehreren Kundgebungen vertreten. Die Organisator*innen hängen außerdem dem Glauben einer New World Order [18, 19] an, nach der eine geheime „Elite“ eine Weltregierung bilden möchte. Nicht überraschend setzt sich diese „Elite“ laut ihnen hauptsächlich aus jüdischen Familien oder Einzelpersonen wie George Soros zusammen

Wo George Soros & co. als geheime Strippenzieher auftauchen, ist oft auch die Verschwörungserzählung des Großen Austausch [20] nicht weit. So auch hier: Mehrere Gruppenmitglieder reden entweder von der „replacement migration“ (also eben dem „Großen Austausch“) oder verbreiten die Ideen dahinter ohne den Namen explizit zu nennen. Auf diese Verschwörungserzählung, die es schafft Antisemitismus mit Rassismus zu verknüpfen und auch unter „Umvolkung“, „Bevölkerungsaustausch“, „Kulturmarxismus“ [21] oder „White Genocide“ firmiert, beziehen sich unter anderem AfD-FunktionärInnen [20], die Identitäre Bewegung [20] oder die Attentäter von Hanau [22], Halle [23] und Christchurch [20].

Antisemitismus
Am Ende verbreiten die Organisator*innen der Paderborner ‚Hygiene-Demos‘ nur dieselben Verschwörungsideologien, die die extreme Rechte seit Jahrzehnten erzählt. Eine geheime Elite zieht im Hintergrund die Fäden um ‚den einfachen Deutschen‘ alternativ klein zu halten, zu unterdrücken oder gar zu vernichten.
Zentraler ideologischer Bezugspunkt dieses Weltbildes bildet der Antisemitismus. Während derartige Pläne Juden*Jüdinnen früher direkt unterstellt wurden, sind die meisten Verschwörungsideolog*innen heute vorsichtiger und beschuldigen „Zionist*innen“ oder – wie im Beispiel der Paderborner Hygiene-Gruppe – jüdische Individuen wie George Soros oder Jacob Rothschild. Selbst da, wo mit Bill Gates mal kein Jude im Zentrum der Verschwörung gegen die Deutschen steht, werden dieselben Muster bedient, weshalb die Erzählung nahtlos anknüpfbar an ihre explizit antisemitische Schwester bleibt. Die Verbindungen in die extreme Rechte mit AfD-WählerInnen, der Verharmlosung der Shoah oder den Verlinkungen von Jebsen und co. können dann eh nur noch bestätigen, was bereits offensichtlich war. Auch die ‚Hygiene-Demos‘ in Paderborn sind schlussendlich nicht geeignet gegen tatsächlich zu weit gehende Grundrechteinschränkungen [24-27] zu protestieren. Wer hier mitmacht, ist entweder antisemitische*r Verschwörungsideolog*in oder fällt auf jene herein.

           

Quellen
[1] Attila Hildmanns Krisenmanagement. Thilo Manemann. Belltower News. 06.05.2020. https://www.belltower.news/veganer-koch-und-verschwoerungsideolo
ge-attila-hildmann-99047/
[2] „Attila Hildmann verkündet: Am 15.Mai endet die Demokratie und NWO übernimmt den Laden hier.“ Ismail Küpeli. Twitter. 03.05.2020. https://twitter.com/ismail_kupeli/status/1257016500973719552
[3] „Es ist an Absurdität kaum zu übertreffen, wenn #AttilaHildmann sich gegen die Vorwürfe, dass es ein Rechter ist, dadurch ‚wehren‘ will, indem er sich als Anhänger der rechtsextremen/faschistoiden ‚Grauen Wölfe‘ zu erkennen gibt.“ Ismail Küpel. Twitter. 19.05.2020. https://twitter.com/ismail_kupeli/status/1262718409684537346
[4] Attila Hildmann. Psiram. https://www.psiram.com/de/index.php/Attila_Hildmann
[5] Ken Jebsen, der gefährliche Querfront-Demagoge. Kira Ayyadi. Belltower News. 15.05.2020. https://www.belltower.news/kenfm-ken-jebsen-der-gefaehrliche-querfront-demagoge-99419/
[6] Faktencheck: KenFM-Video „Gates kapert Deutschland!“. Kira Urschinger. 21.05.2020 https://www.swr3.de/aktuell/fake-news-check/faktencheck-ken-jebsenkenfm-bill-gates-corona-100.html
[7] Ken Jebsen. Psiram. https://www.psiram.com/de/index.php/Ken_Jebsen
[8] Verschwörungstheorien in Zeiten von Corona. Tom Uhlig. Belltower News. 11.04.2020. https://www.belltower.news/argumentationsmuster-verschwoerungstheorien-in-zeiten-von-corona-98189/
[9] Oliver Janich. Psiram. https://www.psiram.com/de/index.php/Oliver_Janich
[10] Xavier Naidoo. Psiram. https://www.psiram.com/de/index.php/Xavier_Naidoo
[11] Xavier Naidoo beschwört in Videos den Untergang Deutschlands. Kira Ayyadi. Belltower News. 11.03.2020. https://www.belltower.news/im-fahrwasser-rechtsextremer-ideologie-xavier-naidoo-beschwoert-in-videos-den-untergang-deutschlands96901/
[12] Das große Verschwörungs-Potpourri. Stefan Lauer. Belltower News. 31.03.2020.
[13] RTL setzt Zusammenarbeit mit Naidoo aus. Tagesschau. 11.03.2020. https://www.belltower.news/xavier-naidoo-das-grosse-verschwoerungs-potpourri-97763/https://www.tagesschau.de/inland/naidoo-115.html
[14] Eva Herman. Psiram. https://www.psiram.com/de/index.php/Eva_Herman
[15] Tim Kellner, der vorbestrafte Biker mit Reichweite. Samira Alshater. 10.09.2019. https://www.belltower.news/youtube-rechtsaussen-tim-kellner-der-vorbestrafte-biker-mit-reichweite91041/
[16] Reisbürgerbewegung. Psiram. https://www.psiram.com/de/index.php/Reichsb%C3%BCrgerbewegung
[17] Chemtrail. Psiram. https://www.psiram.com/de/index.php/Chemtrail
[18] Was hält die rechte Szene von Corona? Kira Ayyadi. Belltower News. 13.03.2020. https://www.belltower.news/verschwoerungserzaehlungen-und-rassismus-was-haelt-die-rechte-szene-von-corona-97007/
[19] Neue Weltordnung. Psiram. https://www.psiram.com/de/index.php/Neue_Weltordnung
[20] „Der große Austausch“ und die Legende vom „Ökofaschisten“. Stefan Lauer. 20.03.2019. https://www.belltower.news/christchurch-der-grosse-austausch-und-die-legende-vom-oekofaschisten-82723/
[21] Die Leitkulturorgie nach den kulturmarxistischen Merkelpartys. Don ‚Lustiger Spruch, Don, hoffentlich rennst du bald in ’ne Heugabel, du mieses Stück Scheiße.‘ Alphonso. Welt. 17.02.2020. Kein Link.
[22] Gefährliche Botschaften. Florian Flade und Georg Mascolo. Süddeutsche. 28.03.2020. https://www.sueddeutsche.de/politik/anschlag-hanau-rechtsextremismus-abschlussbericht-bka-1.4859441
[23] Halle-Attentäter glaubt an jüdische Weltverschwörung. Der Spiegel. 25.10.2019. https://www.spiegel.de/panorama/justiz/halle-attentaeter-stephan-balliet-glaubt-an-juedische-weltverschwoerung-a-1293330.html
[24] Hilferuf in Corona-Zeiten: Moria-Flüchtlinge schreien auf. Deutsche Welle. 17.04.2020. https://www.dw.com/de/hilferuf-in-corona-zeiten-moria-fl%C3%BCchtlinge-schreien-auf/a-53167595
[25] „Worauf wartet die EU?“. Alexander Göbel. Tagesschau. 03.04.2020. https://www.tagesschau.de/ausland/moria-coronavirus-eu-101.html
[26] Polizei schützt Infektion. Katharina Schipowski. taz. 15.04.2020. https://taz.de/Versammlungsfreiheit-in-der-Corona-Krise/!5675482/
[27] Schuhe dürfen nicht demonstrieren. Erik Peter. taz. 05.04.2020. https://taz.de/Proteste-fuer-Gefluechtete/!5673520/